Braune und braun-weiße Kühe stehen hinter einem Metallgatter und schauen neugierig durch die Stäbe.
2022 wurden in Deutschland 3 Millionen Rinder geschlachtet. Foto: van Veenendaal (a)

Warum Kulturfleisch für Tiere besser sein kann

Tiere leiden und sterben für "normales" Fleisch, Veganer gibt es zu wenig

Worum geht es? Jedes Jahr töten Menschen Milliarden an Tieren, um ihr Fleisch zu essen. Immer mehr Menschen in den westlichen Industrieländern können dies nicht mehr mit ihrem Gewissen vereinbaren: Sie werden Vegetarier oder sogar Veganer. Doch weltweit steigt der Fleischkonsum an. Zum einen, weil die Bevölkerung wächst, zum anderen, weil der Fleischkonsum mit dem Wohlstand steigt. Kulturfleisch könnte die Milliarden über Milliarden Tiere retten, weil für Kulturfleisch keine Tiere getötet werden müssen.

 

Gehalten, transportiert und dann getötet

 

Bislang sieht das Schicksal der Milliarden Schlachttiere in der Regel so aus: Sie werden gezüchtet, oftmals unter schlimmen Bedingungen gehalten, transportiert und dann getötet. Welche grausamen Dinge sich hinter dieser Beschreibung verbergen, dürfte hinlänglich bekannt sein. Und selbst diejenigen, die den Umgang mit so genannten Nutztieren in Ordnung finden, müssen zugeben, dass die Tiere am Ende tot sind. 

 

Jetzt mal nicht weggucken: So viele Tiere werden für "normales" Fleisch getötet

 

Die Zahl dieser geschlachteten Lebewesen ist kaum vorstellbar. Hunderte Millionen Tiere lassen allein in Deutschland pro Jahr für den Fleischverzehr des Menschen ihr Leben. Laut Statistischem Bundesamt wurden 2021 in den Schlachtbetrieben 56,2 Millionen Schweine, Rinder, Schafe, Ziegen und Pferde sowie 668,7 Millionen Hühner, Puten und Enten geschlachtet. (1) Das macht zwei Millionen getötete Tiere pro Tag. Das ist mehr als die Einwohnerzahl von Hamburg oder München, und sogar fast doppelt so viel wie die Einwohnerzahl von Köln. An jedem Tag. Und das allein in Deutschland

Ein geschlachtetes Schwein hängt mit durchtrenntem Körper an seinen Füßen an zwei Haken. Davor ist ein Mann von hinten zu sehen, der Schlachterkleidung trägt.
Im Jahr 2022 wurden in deutschen Schlachthöfen rund 47 Millionen Schweine geschlachtet. (b) Foto: Rainer Sturm/pixelio.de

Dann werden wir eben alle Veganer!

Rettet Fleischverzicht die Tiere? Wohl eher nicht, denn so viele Veganer gibt es gar nicht

 

Auch, wenn die vegane und vegetarische Ernährung als Thema sehr präsent ist, ist die Zahl der Vegetarier und Veganer sowohl in Deutschland als auch in anderen Ländern nicht so hoch, wie man vielleicht denken mag. Die Zahlen schwanken je nach Jahr und Studie, liegen aber grob vereinfacht in der Regel unter 4 % bei den Veganern und unter 10 % bei den Vegetariern. 

 

Der Ernährungsreport 2022 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft verzeichnet in Deutschland 7% Vegetarier und 1% Veganer. (2)

Laut einer globalen Verbraucher-Umfrage des Statistik-Portals Statista von 2021 liegt der Anteil der Veganer in China bei 4,8%, in den USA bei 4%, in Großbritannien bei 3,2, in Deutschland bei 3,2, in der Schweiz bei 2,6, in Österreich bei 2,4%, in Frankreich bei 2%, in Italien bei 1,7% und in Brasilien bei 1,5%. (3)

 

 

Die Zahl derer, die auf tierische Produkte verzichten, ist global und im Verhältnis betrachtet also gar nicht so hoch. Zumindest, wenn es darum geht, auf absehbare Zeit das Leiden und Töten von Tieren zu beenden. Und selbst, wenn die Zahl der Veganer und Vegetarier in den einzelnen Ländern zunimmt: Wenn unter dem Strich trotzdem mehr Tiere getötet werden, läuft irgend etwas schief. Und so sieht es leider aus: Weltweit wächst seit Jahren eine Welle heran, die das zarte Pflänzchen Veganismus unter sich begräbt. Der Bedarf nach Fleisch wächst nämlich trotz aller Trends und Überzeugungsarbeit stetig an.  

Fleischstücke und Würstchen liegen auf einem Grillrost, das über einem Feuer hängt.
Auf der Welt wird immer mehr Fleisch gegessen. Foto: Klaus Steves/pixelio.de

Die traurige Wahrheit: Global betrachtet wird immer mehr Fleisch gegessen

 

Der Effekt der vegetarischen und veganen Ernährung auf die weltweite Entwicklung dürfte gering bleiben. Denn auf der Welt wird immer mehr Fleisch gegessen. Was ist der Grund? "Die Weltbevölkerung wächst, zugleich verändert der zunehmende Wohlstand in vielen Schwellen- und Entwicklungs­ländern das Ernährungsverhalten. Der jährliche Fleischverbrauch hat in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen", heißt es in einer Analyse des Statistischen Bundesamtes. (4)

 

Ein Beispiel: Weniger Vegetarier in Indien

 

Ein Beispiel für ein sich wandelndes Ernährungsverhalten ist Indien. Indien sticht zwar bei der bereits erwähnten Statista-Verbraucher-Umfrage mit 13,4 Prozent Veganern beim internationalen Vergleich heraus. Der Vegetarismus gilt hier nämlich eigentlich als tief in der Gesellschaft verankert - unter anderem religiös bedingt. Doch der Fleischkonsum steigt auch hier mittlerweile an. Eine mögliche Erklärung dafür liefert bereits 2016 ein Bericht des Deutschlandfunks:  In einer globalisierten Welt kommen demnach zum Beispiel Computerspezialisten zurück in ihre Heimat – und bringen Essgewohnheiten aus dem Ausland mit. (5)

 

Bilanz der Jahre 2000 bis 2020: Weltweit 45 Prozent mehr Fleisch "produziert"

 

Folge all dieser Entwicklungen: Weltweit wurden 2020 rund 337,2 Millionen Tonnen Fleisch "erzeugt". Das war ein Anstieg um 45 Prozent gegenüber dem Jahr 2000. (6)

 

Fazit: Veganer Trend reicht leider nicht, um die Tiere zu retten

 

Fazit: Wer Tiere vor dem Schlachthof bewahren will, sollte nicht darauf setzen, dass der Trend zur veganen Ernährung irgendwann zum Ziel führt. Es muss eine andere Lösung her. Eine Lösung, die schneller zum Erfolg führt als der Weg über einen vielleicht nie einsetzenden Bewusstseinswandel der globalen Bevölkerung. Jeder Tag, der verstreicht, kostet schließlich Millionen Tieren das Leben. 

 

Und wie soll Kulturfleisch da jetzt helfen? 

Warum Kulturfleisch die Tiere retten könnte

 

Menschen müssen sich nicht ändern, Tiere bleiben trotzdem am Leben

 

Anstatt Milliarden an Menschen zu überzeugen, kein Fleisch und noch besser gar keine tierischen Produkte mehr zu konsumieren, erscheint es vielversprechender, die Produkte einfach durch etwas Tierfreundliches zu ersetzen. Etwas, das Tieren nicht das Leben kostet, und von den Menschen keine Veränderung verlangt. Denn am Ende geht es ja nicht um eine Bewusstseinserweiterung der Menschen. Sie war bislang nur der Weg, um das Ziel zu erreichen: nämlich das Tierleid und das Töten zu stoppen.

Eine Frau mit blauer Schürze steht in einer Küche und rollt etwas in Weißkohlblätter ein.
Essen ist kulturell geprägt und für die Identitätsbildung von elementarer Bedeutung. (c) Foto: Rainer Sturm/pixelio.de

Der Weg über menschliche Köpfe ist nicht effektiv genug

 

Da sich der Weg über die Köpfe (global betrachtet) als Sackgasse erwiesen hat, muss eine neue Lösung gesucht werden. Man könnte natürlich versuchen, sich noch mehr ins Zeug zu legen, und die Menschen noch intensiver aufzuklären. Doch ist das ein effektives Vorgehen? Wenn etwas nachweislich nicht den erwünschten Erfolg erzielt, sollte doch das bisherige Vorgehen modifiziert werden. 

 

Der Preis entscheidet: Kulturfleisch könnte billiger sein als "normales" Fleisch

 

Wenn Kulturfleisch sogar günstiger ist als "normales" Fleisch, entscheiden sich die Konsumenten sicherlich von ganz alleine für das leidfreie Fleisch. Der Grund, weshalb Kulturfleisch weniger kosten könnte, liegt daran, dass der Umweg über die Aufzucht der Tiere fehlt. Um Fleisch zu erhalten, müssen die Tiere zuvor viele Pflanzen fressen. Für eine Kalorie Fleisch, werden auf diese Weise 2 bis 7 pflanzliche Kalorien verbraucht - je nach Tierart. Die Umwandlungsrate von pflanzlichen in tierische Kalorien schwankt laut Weltagrarbericht zwischen 2:1 bei Geflügel, 3:1 bei Schweinen, Zuchtfischen, Milch und Eiern sowie 7:1 bei Rindern. (7) 

Im Schlitz eines Sparschweins steckt ein zusammengefalteter Zehn-Euro-Schein.
Wenn Kulturfleisch günstiger ist als Schlachtfleisch, dann werden sich die Konsumenten von alleine für das In-Vitro-Fleisch entscheiden. Foto: Petra Bork/pixelio.de

Kleiner Exkurs: Dieser hohe Einsatz pflanzlicher Kalorien für den Fleischkonsum birgt übrigens nicht nur das Potenzial für günstigeres Kulturfleisch, es ist ethisch betrachtet auch höchst fragwürdig. Schon 2009 hat Olivier de Schutter (er war von 2008 bis 2014 Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für das Recht auf Nahrung) gesagt: „Wenn wir den Fleischkonsum in den reichen Ländern reduzieren, ihn weltweit bis 2050 auf einem Pro-Kopf-Verbrauch auf dem Niveau von 2000 festschreiben – also auf jährliche 37,4 kg/Kopf – dann könnten ungefähr 400 Millionen Kilo Getreide für die menschliche Ernährung freisetzt werden. Das ist genug um 1,2 Milliarden Menschen mit ausreichend Kalorien zu versorgen." (8)

 

Zurück zum Preis: Viele Wissenschaftler sind davon überzeugt, dass Kulturfleisch billiger sein wird als die konventionellen Produkte, so zum Beispiel Dr. Nick Lin-Hi, der Professor für Wirtschaft und Ethik an der Universität Vechta ist. Ein Interview mit ihm lest Ihr hier. 

 

Und warum Kulturfleisch für die Umwelt besser sein könnte, lest Ihr hier. 

Auch für die menschliche Gesundheit könnte sich Kulturfleisch als positiv erweisen. Warum das so ist, lest Ihr hier.

 

Quellen: 

(a) Statistisches Bundesamt (Destatis), Fleischproduktion 2022

(b): Statista, abgerufen am 22.4.23

(c) Uni Potsdam, Essen und Identität, abgerufen am 22.4.23

(1) : Statistisches Bundesamt, Globale Tierhaltung, Fleischproduktion und Fleischkonsum, Ausgabe 2022

(2): Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2022): Deutschland, wie es isst – der BMEL-Ernährungsreport 2022, S. 10. 

(3) Statista Global Consumer Survey

(4) Statistisches Bundesamt (Destatis): Globale Tierhaltung, Fleischproduktion und Fleischkonsum, Ausgabe 2022

(5) Deutschlandfunk: Indien - Weniger hinduistische Vegetarier

(6) (Statistisches Bundesamt) Destatis: Globale Tierhaltung, Fleischproduktion und Fleischkonsum, Ausgabe 2022

(7) www.weltargrarbericht.de, Fleisch und Futtermittel, aufgerufen am 21.4.23 

(8) Brot für die Welt, Kampagnenblätter, Fleischkonsum, 2010