Ein junge Frau mit halblangen braunen Haaren sitzt gemütlich auf einem Sofa und hat ein aufgeklapptes Laptop auf ihren Knien.
Kulturfleisch einfach online kaufen? Dafür machen sich die Gründer vom Cultured-Meat-Shop bereit. Foto: Canva

Klimaschützer sichern sich Pole-Position

Web-Profis aus Bayern erstellen Online-Shop für Kulturfleisch

Stand: September 2023

Nürnberg. Noch kann man in Deutschland kein Kulturfleisch kaufen. Doch wenn es so weit ist, dann ist das Team vom Nürnberger Cultured-Meat-Shop bereit. Die Webseite ist schon längst am Start, jetzt fehlen nur noch die Produkte. 

 

Idealismus und Strategie sind der Motor

 

Aber wie kommt man dazu, einen Online-Shop aufzubauen, obwohl es die Verkaufsgüter noch gar nicht gibt? Dahinter stecken Idealismus und Strategie. Zunächst zum Idealismus: Die vier Süddeutschen, die die Internetseite erstellt haben, möchten sich damit vor allem für den Klimaschutz engagieren, berichtet Team-Mitglied Christoph Werner. „Jeder kann dazu beitragen, die Welt ein kleines Stück besser zu machen und es nachfolgenden Generationen zu ermöglichen, ein ebenso gutes Leben führen zu können wie wir – idealerweise auch auf demselben Planeten", meint der 44-Jährige. Deshalb sei es ihm ein Anliegen, Menschen von den Vorteilen von Cultured Meat zu überzeugen.

 

Fitness-Junkie will Umwelt schützen

 

Die Idee, sich für kultiviertes Fleisch einzusetzen, stammt von Bastian Huber, der sich als Kraftsportler mit dem Thema Eiweiß-Versorgung beschäftigt. „Als Fitness-Junkie sind Proteine ein zentraler Bestandteil meiner Ernährung", erklärt der 31-Jährige.  Aus Umweltgründen habe er seinen Fleischkonsum ohnehin drastisch reduziert. "Umso mehr freue ich mich auf Cultured Meat", sagt er. Das bedeute für ihn, Hähnchenfleisch, Rindfleisch und Fisch mit hoffentlich noch besseren Nährwerten und ohne schlechtes Gewissen verzehren zu können.

 

Online-Marketing ist ihr Metier

 

So viel also zum Thema Idealismus. Doch worin besteht das Strategische? Bastian Huber und Christoph Werner kennen sich von ihrer Arbeit. Beide sind SEO-Manager für eine Online-Marketing-Agentur (englisch: Search Engine Optimization, kurz SEO) im Umfeld von München. Das heißt, sie sorgen unter anderem dafür, dass die Webseiten von Kunden schnell von Internet-Suchmaschinen wie Google gefunden werden. Christoph Werner hat zuvor BWL studiert und war rund zehn Jahre in der Webentwicklung tätig. Bastian Huber kommt ursprünglich aus dem Journalismus und war unter anderem als Redakteur beim Münchner Merkur beschäftigt. 

 

Truppe hat geballte Digital-Power 

 

Auch die Dritte im Bunde des Cultured-Meat-Shops, Elisabeth Ritthaler (27), hat in der gleichen Online-Marketing-Agentur gearbeitet, allerdings als SEA-Managerin (englisch: Search Engine Advertising, kurz SEA). Das bedeutet, dass sie sich um das Schalten von Anzeigen bei den Suchmaschinen kümmert. Grafikdesigner Fabian Schaer (38) macht die Truppe vom Cultured-Meat-Shop komplett. Geballte Digital-Power könnte man also sagen. "Wenn auch aus teils unterschiedlichen Beweggründen, eint uns alle dasselbe Ziel: den menschlichen Proteinkonsum nachhaltiger zu machen", beschreiben die vier ihre Motivation.

 

Sie platzieren sich zeitig bei Suchmaschinen 

 

"Wir haben uns gedacht, dass wir unser Know-How, das wir die ganze Zeit beruflich nutzen, für etwas Gutes einsetzen könnten", erklärt Christoph Werner. Das Schaffen eines Shops zu einem so frühen Zeitpunkt, habe einen strategischen Grund, erläutert er. "Wir wollten uns gleich bei den Suchmaschinen platzieren." Wenn Kulturfleisch erst einmal auf dem Markt sei, könne der Shop gleich von einer Art Pole-Position aus starten.

 

Webseite vermittelt Hintergrundwissen

 

Auf der Webseite des Cultured-Meat-Shops geht es aber nicht nur ums Verkaufen. Es wird erklärt, was Kulturfleisch eigentlich ist, wie es hergestellt wird, welche Fleischsorten angeboten werden können, und welche Unternehmen es bereits gibt, die sich dieser neuen Technologie verschrieben haben. Der Informationsteil der Homepage, der theoretische Überbau sozusagen, ist also bereits fertig.

 

Zweites Projekt dient der Übung

 

Bis die ersten Kulturfleisch-Waren auch in Deutschland erhältlich sind und das Team mit dem Shop so richtig loslegen kann, sammelt es Erfahrungen in Sachen Online-Verkauf mit einem zweiten Projekt. Es trägt den Namen Protein-Revolution. Über einen Shop auf der gleichnamigen Webseite wollen die vier Marketing-Experten hier mehrere alternative Eiweiße, sprich pflanzliche Proteine, Algenproteine, Insektenprotein und auch Cultured Meat anbieten. Produkte auf Basis von Insekten-Protein kann man dort bereits kaufen. 

 

Team teilt Aufgaben auf

 

Bei den beiden Online-Angeboten kümmert sich jedes Teammitglied schwerpunktmäßig um einen anderen Bereich: Bastian Huber sorgt überwiegend für den Content, also Texte und Bilder. Elisabeth Ritthaler ist hauptsächlich für die Werbeanzeigen zuständig, grafische Elemente stammen von Fabian Schaer. Christoph Werner übernimmt den technischen Part, also das Programmieren der Seiten. Er schreibt zudem ab und zu Texte, und erledigt kaufmännische Angelegenheiten. Das Erstellen der News teilt er sich vor allem mit Bastian Huber.

 

Mitglieder glauben fest an alternative Eiweißangebote

 

Ganz schön viel Aufwand, für ein ehrenamtliches Engagement. Doch die vier sind überzeugt von der Bedeutung und der Zukunft alternativer Eiweißangebote. Das stetige Wachsen der Branche bestätigt sie darin. "Wir sehen ja auch, dass die großen Fleischkonzerne zunehmend in diesen Markt investieren. Die Strategen dieser Unternehmen haben ganz sicher ein realistisches Bild davon, wie sich das Ganze entwickelt", sagt Christoph Werner. Zumal konventionelles Fleisch aufgrund seiner negativen Auswirkungen auf die Umwelt sowie steigender Anforderungen an Tierwohl und Haltungsbedingungen vermutlich bald teurer werden müsse, glaubt er. Die Kosten für Kulturfleisch hingegen werden seiner Einschätzung nach stetig geringer - unter anderem, weil Transporte von Futtermitteln und Tieren wegfallen. 

 

Deutschland hinkt hinterher

 

Damit sich Kulturfleisch schneller durchsetzen könne, müssten jedoch auch noch einige Hürden überwunden werden, meint Christoph Werner. Von der Regierung wünscht er sich eine stärke Förderung der Technologie. Auch müsste die Gesetzgebung klarer sein. "Die Hersteller von Cultured Meat haben hier unter anderem Probleme, weil sie ewig über ihren Anträgen sitzen", erklärt er. In den USA und Singapur sei man da schon viel weiter. 

 

Fortschritte in USA und Singapur

 

In den USA haben bereits zwei Unternehmen grünes Licht von der amerikanischen Lebensmittelbehörde FDA bekommen, um kultiviertes Hühnerfleisch zu vertreiben: Upside Foods im Herbst 2022, Good Meat (gehört zu Eat Just) im März 2023. In Singapur darf Good Meat sogar schon seit November 2020 kultiviertes Hühnerfleisch verkaufen. Dort ist es deshalb bereits in verschiedenen Restaurants und über einen zentralen Lieferservice erhältlich.

 

"Cultured Meat ist nichts Künstliches"

 

Hierzulande müsse laut Christoph Werner noch viel Aufklärung für die Verbraucher stattfinden. Leider hätten sich mancherorts schon krude Vorstellungen gebildet - unter anderem, weil auch Bill Gates, beliebte Projektionsfläche für Verschwörungstheoretiker, in Unternehmen der Branche investiere. "Cultured Meat ist nichts Künstliches, das uns irgendjemand einflößen will", betont er. Oftmals werde Kulturfleisch von Skeptikern noch als etwas Unnatürliches bezeichnet. "Aber wie natürlich ist es denn, Tausende Hühner auf engstem Raum zusammenzupferchen und sie mit Antibiotika vollzupumpen?", fragt er. 

 

Christoph Werner: Weniger Antibiotika nötig

 

Vergleiche man die Zustände in der Massentierhaltung objektiv mit dem Konzept des Kulturfleisches, erscheine das Argument der Unnatürlichkeit doch recht dünn, findet er. Während in der aktuellen Tierhaltung massenweise Antibiotika eingesetzt werde und dadurch resistente Keime gestärkt würden, käme Cultured Meat wegen seiner sterilen Herstellungsbedingungen voraussichtlich ohne die Antibiotikagabe aus. 

 

Chance für Agrarbranche

 

Nicht nur die Konsumenten, auch Landwirte müssten mehr in das Thema eingebunden werden, ist Christoph Werner überzeugt. "Man muss ihnen die Angst nehmen, dass es schlagartig nur noch Cultured Meat geben soll", betont er. Kulturfleisch biete den Beschäftigten in der Agrarbranche zudem die Chance, sich noch einmal neu zu orientieren. 

 

Kontakt: www.cultured-meat.shop