Stand: April 2023
Kulmbach. Fleisch, Eier, Käse - wer an Eiweiß denkt, dem kommen sicherlich schnell die tierischen Quellen in den Sinn. Doch spätestens, wenn man sich vegan ernährt, dominieren wohl eher pflanzliche Proteine die eigene Gedankenwelt. Da wären unter anderem Bohnen, Linsen, Erbsen, Getreide, Nüsse und Tofu.
Studierende gehören zu globalem Netzwerk
Aber wem fallen beim Stichwort Eiweiß Dinge wie kultiviertes Fleisch oder Eier und Milch aus der Präzisionsfermentation ein? Was für die meisten wohl noch ein Buch mit sieben Siegeln ist, dürfte für Studierende der Universität Bayreuth nichts Ungewöhnliches sein: Sie gehören zu einem globalen Netzwerk, das sich der Erforschung und Förderung von alternativen Proteinquellen verschrieben hat.
Good Food Institute (GFI) hat Netzwerk gegründet
Ins Leben gerufen wurde dieses weltweite Uni-Netzwerk vom Good Food Institute, kurz GFI. Die gemeinnützige Organisation setzt sich nach eigenen Worten für ein nachhaltiges, sicheres und gerechtes Ernährungssystem ein. Hierfür wird die Entwicklung alternativer Proteine gestärkt und vorangetrieben.
36 Universitäten gehören zum Netzwerk
Ein Baustein stellt dabei die eben beschriebene globale Studentenbewegung "Alt Protein Project" dar - ein Projekt, das sich also mit alternativen ("Alt") Proteinen beschäftigt. Rund 36 Universitäten sind rund um den Globus bereits mit im Boot.
Uni Bayreuth seit 2022 dabei
Die Uni Bayreuth ist dem Projekt im August 2022 beigetreten. Dort trägt das Ganze den Namen "Bayreuth-Kulmbach Alt Protein Project". Es ist am Lehrstuhl für Lebensmittelrecht angesiedelt und wurde von drei wissenschaftlichen MitarbeiterInnen aus der Taufe gehoben: Alexandra Molitorisová, Federica Ronchetti und Alessandro Monaco.
18 Studierende gehören zum Uni-Club
Das Vorhaben wurde dann an den Nachwuchs übergeben: Hierfür haben sich Studenten und Studentinnen zu einem Club zusammengeschlossen: der "Alternative Protein Society Bayreuth-Kulmbach". Etwa 18 Mitglieder zählt die Gruppe, die beiden Präsidentinnen heißen Annika Tuchelt und Helen Regina.
Helen Regina (links) und Annika Tuchelt sind die beiden Präsidentinnen des Protein-Clubs.
Annika Tuchelt hat Bachelor in Bremen gemacht
Die 18 jungen Leute stammen überwiegend aus den Studiengängen "Global Food Nutrition and Health" (Globales Essen, Ernährung und Gesundheit) sowie "Food Quality and Safety" (Lebensmittelqualität- und sicherheit). Annika Tuchelt studiert ersteres und beschäftigt sich schon länger mit dem Thema der alternativen Proteine. Zunächst hat die in Sachsen-Anhalt geborene 23-Jährige in Bremen Public Health (Gesundheitswissenschaften) studiert. In ihrer Bachelorarbeit untersuchte Tuchelt dort, welches Potenzial alternative Proteine und speziell kultiviertes Fleisch für die Gesundheit haben.
Annika Tuchelt kümmert sich in Bayreuth um soziale Medien
Für ihren Masterstudium zog Annika Tuchelt dann nach Bayreuth um. In dem Alternative-Protein-Society-Club ist sie vor allem für den Bereich Social Media zuständig - aktiv ist sie vor allem auf Instagram. Die anderen Mitglieder sind unter anderem in Arbeitsgruppen für Projekt- und Eventmanagement sowie für eher wissenschaftliche Fragestellungen tätig. "Das Projekt steckt noch in den Kinderschuhen, aber einiges wurde schon auf die Beine gestellt", erzählt Annika Tuchelt. Zum Beispiel sei ein Master-Seminar-Kursus zum Thema alternative Proteine ins Leben gerufen worden, den die Studierenden besuchen können.
Online-Vortrag über Präzisionsfermentation
Darüber hinaus seien einige Online-Vorträge organisiert worden. "Ein Referent aus den USA hat beispielsweise über die Präzisionsfermentation informiert", berichtet Annika Tuchelt. Fermentation bedeutet, dass unter anderem Bakterien, Pilze oder Zellkulturen biologisches Material umwandeln. Hergestellt werden bei dieser "wilden" Fermentation allbekannte Dinge wie etwa Sauerkraut, Joghurt und Bier. (Quelle: biooekonomie.de) Bei der Präzisionsfermentation hingegen werden nun Organismen wie Hefe verwendet, um gezielt beispielsweise echte Ei- oder Milchproteine wie Molke und Kasein herzustellen. (Quelle: gfieurope.org)
Gruppe plant "Potluck-Partys"
Außer Vorträge plane der Club Workshops und eine Kooperation mit der Mensa. "Zudem arbeiten wir daran, dass Student*innen ihre Masterarbeit über das Thema schreiben können", sagt Annika Tuchelt. Auf der To-Do-Liste stehen des Weiteren sogenannte "Potluck-Partys", was soviel wie "Topfglück-Feier" bedeutet. Jeder Gast bringt ein Gericht seiner Wahl zur Veranstaltung mit, sodass dabei ein recht buntes Büfett entsteht.
Kontakt zu anderen Gruppen über App "Slack"
Abgesehen davon ist das Bayreuther Team über die App "Slack" mit den anderen Projekt-Gruppen auf der ganzen Welt verbunden. "Dort informieren wir uns auch über Praktika- und Jobangebote in der Branche", so Annika Tuchelt. Die ganze Kommunikation passiere dabei auf Englisch. Angedacht sei auch, sich mit den anderen Gruppen irgendwann einmal zu treffen.
Hilfe vom GFI
Der Anschluss an das GFI sei bei all dem eine wichtige Stütze, meint Tuchelt. "Das GFI bildet das Rückgrat für das Projekt. Beispielsweise haben wir Zugriff auf die riesige Datenbank des GFI", erläutert sie. "Auch, wenn wir ein Start-up gründen wollen, dann hilft uns das GFI."
Annika Tuchelt interessiert sich für Wissenschaftskommunikation
Die Wahrscheinlichkeit, dass Annika Tuchelt später auch beruflich im Bereich der alternativen Proteine tätig sein wird, ist groß. "Das ist mein großes Interesse", sagt sie. Ihren Platz sieht sie dabei vor allem in der Wissenschaftskommunikation. Sie versteht sich weniger als Spezialistin für ein Fachgebiet, sondern eher als Generalistin, die einen Überblick über verschiedene Dinge habe.
Hoffen auf hybride Formen: Fett von Zucht-Zellen, Gerüst von Pflanzen
Von allen Ansätzen, die es in puncto alternative Proteine gibt, hält Annika Tuchelt hybride Formen für besonders erfolgversprechend. "Hierbei wird beispielsweise Fett von kultivierten Zellen mit pflanzenbasiertem Fleisch kombiniert", erklärt sie. So erhalte man über das Fett den typischen Fleischgeschmack, die pflanzliche Trägersubstanz gebe hingegen die Struktur. "Diese Zwischenlösung ist auch schon relativ weit entwickelt."
Tierschutz ist nicht das einzige Motiv
Die Motive für das Engagement im Uni-Projekt sind unterschiedlich. Annika Tuchelt selbst lebt vegetarisch und versucht, sich immer veganer zu ernähren. Andere Mitglieder des Bayreuther Clubs essen teilweise auch Fleisch, wie Tuchelt erzählt. Während bei ihr der ethische Aspekt des Tierschutzes im Vordergrund steht, seien bei manchen Mitstreitern die Themen Nachhaltigkeit und globale Ernährungssicherheit Gründe für das Interesse an alternativen Proteinen.
Tuchelt: alternative Proteine haben Hebelwirkung
Neben dem Tierschutz-Gedanken sind aber auch für Annika Tuchelt die Probleme des aktuellen Ernährungssystems Antreiber für ihren Einsatz. "Das Bewusstsein, was diese Probleme anrichten, führt bei mir zu einem Verantwortungsgefühl, etwas dagegen zu tun", erklärt sie. Hierbei gebe es verschiedene Lösungen. "Eine, mit sehr großer Hebelwirkung, ist nun mal die Entwicklung alternativer Proteine", unterstreicht sie.
Doku von Niko Rittenau gab den Ausschlag
Dass die Verwendung alternativer Proteine eine besonders große Stellschraube darstelle, sei ihr beim Schauen der Dokumentation "Neuzeitfleisch - Ist Laborfleisch die Lösung für die Welternährung?" von Niko Rittenau klar geworden, berichtet Annika Tuchelt. Die Kurzdoku skizziert, wie die sogenannte zellbasierte Landwirtschaft es ermöglichen könnte, aus einer einzigen Zelle über 10.000 Kilogramm Fleisch zu produzieren und dabei das Leben der Tiere zu verschonen. Hier kann man das Video sehen.
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Susanne van Veenendaal
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